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GEW-Kreisverband setzt auf neue Perspektiven

Notstand im Bildungsbereich für Gewerkschaftler nicht hinnehmbar

GEW-Mitglieder des Kreisverbandes Rotenburg schätzen die Zusammenkünfte von Nord, Mitte und Süd einmal im Jahr, wenn es im Herbst zur Kreisdelegiertenversammlung nach Kirchtimke geht. Dieses würdigte der 1. Kreisvorsitzende gleich zu Beginn in seinem Grußwort: „Uns ist der intensive Kontakt wichtig, wir wollen von euch hören, was gerade ansteht und wo es brennt und in enger Vernetzung bleiben!“ Frank Michael Embers macht deutlich, dass die Gewerkschafter nicht nur klagen, sondern vor allem an Änderungen mitwirken wollen. Den Notstand in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen weiter hinzunehmen, dazu sind Vertreter*innen der GEW nicht bereit. 

Für die diesjährige Versammlung im Oktober 2022 sind vom Vorsitzendentrio Frank Michael Embers aus Scheeßel, Sabine Stahmann-Wruck aus Bremervörde und Marco Kettenburg aus Rotenburg zwei wesentliche Schwerpunkte gewichtet worden: Die Arbeit an den internen Strukturen sowie die dramatische Personalsituation in den Bildungseinrichtungen, die sich durch einen gravierenden Fachkräftemangel weiter zugespitzt. Dazu referierte eindrucksvoll Stefan Störmer, neu gewählter 1. Landesvorsitzender des GEW-Landesverbandes.

Zum Einstieg in sein neues Amt besucht Störmer derzeit viele Kreisverbände des Bundeslandes und findet ein überwiegend einheitliches Bild vor:

Landesweit herrscht ein Fachkräftemangel und offene Stellen können nicht besetzt werden – eine Situation, vor der die GEW schon seit Jahren warnt. So wies auch die im Jahr 2018 von der GEW Niedersachsen veröffentlichte Arbeitszeitstudie bereits auf die hohe Arbeitsbelastung niedersächsischer Lehrkräfte hin.

Störmer betont, dass der Lehrerberuf in Niedersachsen unattraktiv geworden sei. Durch immer weitreichendere Aufgaben sei die Arbeitsbelastung in den letzten Jahren weiter angestiegen. Mit verheerenden Folgen: 75 % der Lehrkräfte arbeiten nach Angaben des statistischen Landesamtes nicht bis zur Altersgrenze, 25 % der Lehramtsanwärter*innen entscheiden sich nach Angaben des Kultusministeriums nach dem Vorbereitungsdienst gegen den Dienst an der Schule.

Diese Problematik ist laut Störmer endlich in der Landespolitik angekommen: So haben alle Parteien das Thema Arbeitsbelastung vor der Landtagswahl in ihre Programme aufgenommen.

Die Forderung der GEW Niedersachsen nach einer einheitlichen A13-Besoldung für alle Lehrkräfte im Bundesland wurde von der neuen Regierungskoalition im Oktober 2022 endlich beschlossen – nun liegt es an der Regierung diese Pläne zügig umzusetzen und auch an anderer Stelle die Weichen für eine Reform des Lehrerberufs zu stellen und diesen wieder attraktiv zu gestalten. 

Dies sei dringend nötig, so Störmer, denn nach Berechnungen der GEW fehlen allein in Niedersachsen rund 7000 Lehrerstellen, gerade im GHR-Bereich sei eine Stellenbesetzung häufig nicht möglich. Auch im Landkreis Rotenburg (Wümme) ist dies deutlich zu spüren.

Andere Forderungen der GEW, wie beispielsweise die zweistündige Altersermäßigung, wurden bisher nicht umgesetzt, auch wenn dies im Koalitionsvertrag der letzten Landesregierung verankert war.

Wie kann die Problematik unbesetzter Stellen und fehlenden Fachpersonals nun aufgefangen und abgefedert werden?

Die von der Landesregierung zur Lösung herangezogene Einstellung von Quereinsteigern kann das Problem nicht langfristig lösen, sondern nur die akute Notlage abfedern – eine systemische Änderung findet dadurch nicht statt. Auch die hohe Zahl von Ausbildungs-Abbrüchen bei Quereinsteigern verschärft die Situation weiter.

Die pädagogische Ausbildung von Quereinsteigern bedarf großer Anstrengungen in den Studienseminaren und Schulen. 

Marco Kettenburg, stellvertretender Vorsitzender des GEW Kreisverbandes, machte ergänzend auf die teilweise prekäre Situation der Schulleitungen aufmerksam. An vielen Grundschulen werden freie Schulleitungsstellen nur kommissarisch besetzt, eine angemessene Wertschätzung und Entlohnung der geleisteten Arbeit findet somit nicht statt.

Schon vor der angeregten Gesprächsrunde mit dem Landesvorsitzenden hatten die Kreisdelegierten eingehend zu den Leitfragen „Was brauchen wir für unsere GEW-Arbeit im Kreis angesichts dieser schwierigen Zeiten, welche Strukturen sind zukunftsfähig?“ gearbeitet. Zufrieden resümiert die stellvertretende Kreisvorsitzende Sabine Stahmann-Wruck die laufenden Prozesse: „Unser Kreisvorstand setzt auf innovative Strukturen, um weiterhin alle Mitglieder bestmöglich einbinden zu können. Es geht darum, unsere Zusammenarbeit nach Corona neu zu beleben und sie zielgerichteter voranzutreiben. Wir müssen unsere Ziele als Gewerkschaft jetzt ganz deutlich machen und die nötigen Veränderungen forciert vorantreiben. Da sind wir jetzt einen großen Schritt weitergekommen.“ 

Tatsächlich wurde die aktive Arbeitsphase von den Delegierten motiviert aufgegriffen.  Fokussiert durch verschiedene Impulsfragen entwickelten die Gruppen im „Walking-Meeting“ neue Perspektiven für die Zusammenarbeit in ihrer Gewerkschaft. Erfreut über die inspirierende Methode des Konferenzspazierganges melden die Kreisdelegierten ihre Freude über den lebendigen Austausch an der frischen Luft zurück. Die Ergebnisse können sich sehen lassen und werden für weitere Strukturierungsprozesse genutzt.

Als Vorstandsmitglied skizzierte Jürgen Marherr verschiedene Handlungsoptionen der internen Weiterentwicklung. Im Rahmen einer Klausurtagung sollen die Grundlagen für eine abschließende Entscheidung vorbereitet werden: „Sollen unsere acht Ortsverbände weiter bestehen bleiben?“ Die Sitzungsteilnehmenden griffen auch die von ihm benannten Alternativen auf und betonten ihre Zustimmung für die  eingelenkte Entwicklung. „Die Diskussionen in der Gruppe haben Spaß gemacht und sind jetzt wichtig und notwendig.“, so der Tenor aus dem Kreise der Teilnehmenden.

Im Konsens der gemeinsamen Perspektiven führte die Tagesordnung weiter zu verschiedenen Berichten, Wahlen und Verabschiedungen. Embers ehrte hierbei besonders Renate Hansing aus Elsdorf für ihre 50jährige Amtszeit im Vorstand. 

Zufrieden blickt das Vorsitzendenteam nach einjähriger Amtszeit nach vorn: 

Im Kreis und im Vorstand setze sich ein guter Teamspirit durch. In Zeiten stark überlasteter Mitglieder infolge massiver Arbeitsverdichtung sei es immer wichtiger, in enger Solidarität zu handeln und sich gegenseitig zu stärken. Das erhöhe die Motivation für die gewerkschaftliche Arbeit, die angesichts der verheerenden bildungspolitischen Lage nötiger und wichtiger sei denn je! Die Veranstaltungen auf Kreisebene wurden im vergangenen Amtsjahr fokussiert anberaumt. Sie begleiteten die Gewerkschafter*innen in ihrer Region von einen „Tag der Pädagogik“ in Zeven, einem gemeinsamen Sommerfest in Scheeßel über eine sehr gut besuchte Podiumsdiskussion anlässlich der bevorstehenden Landtagswahl im Oktober. Schließlich gab es noch eine gemeinsame Busfahrt zur Kundgebung in Hannover direkt vor der Wahl. „Das alles war wichtig und gut positioniert, und so können wir weitermachen,“ bekräftigen Embers, Kettenburg und Stahmann-Wruck im Ausblick.